INTEGRATIONSKAMPF IM DEUTSCHEN WELTTEIL


Bei der Gedenkfeier für die neun ermordeten Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizeibeamtin mit deutscher Herkunft sagte die Kanzlerin Frau Merkel am 23.02.2012 in Berlin: „Dafür bitte ich Sie um Verzeihung.“ Vor rund 1200 Gästen verschiedener Nationalität und Millionen Zuschauern, die nicht nur in Deutschland sondern in verschiedenen Ländern vor dem Fernseher saßen, versprach sie im Namen des deutschen Staates, alles für die vollständige Aufklärung der Mordserien und ihrer Hintergründe zu tun. Während eines Telefongesprächs am darauf folgenden Sonntag sagte ich zu meiner Mutter, die in einem türkischen Dorf lebt und noch nie im Ausland war: „Viele Politiker[1] können den Menschen nicht die Wahrheit sagen. Aber Frau Merkel ist ganz anders als ein Politiker.[2] Genau wie wir Ausländer in Deutschland, die auf ihr Wort vertrauen, solltest auch du ihr Glauben schenken. Bitte mach dir keine Sorgen, Mutter! Ich, als ein Ausländer, gehe nach ihrer Ansprache jede Nacht sehr zufrieden ins Bett, um dort einen schönen und tiefen Schlaf, ganz ohne die in kugelige, flache bzw. ovale Form gepressten Arzneimittel, zu finden.“

Ich weiß nicht ganz genau, ob ich meiner Mutter meine halb-ironischen Sätze über die Politiker zutrauen konnte. Seit ein paar Tagen denke ich über eine Frage nach: Ist das Deutschland, in dem ich seit über sechs Jahren lebe, überhaupt ein geeignetes Land für erfolgreiche Integration?

Man kann den Zusammenhang zwischen Gesellschaft und Integration in Deutschland aus verschiedenen Perspektiven behandeln. Ich konzentriere mich hier nur auf die Sicht der Politiker und Wissenschaftler: Viele einheimische und ausländische Politiker im deutschen Parlament lieben es, über das Thema „Integration und Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ zu reden, weil die Abgeordneten mit diesen Floskeln leichtes Geld verdienen und aktiv nichts zur Entwicklung der Integration beitragen müssen. Sie finden ihre politische Karriere wichtiger als die ökonomischen, sozialen und politischen Aktivitäten des Landes. Anstatt dringend nötige kreative Lösungen für dieses Problem zu suchen, reden sie lieber von Anpassung bzw. Integration in die Gesellschaft, um so politische Eigenwerbung zu machen. Vielleicht passt hier eine türkische Redewendung: Der Volksheld, der den ganzen Tag in einer Teestube verbringt, gründet täglich eine neue Regierung, die alle Probleme der Welt zu lösen vermag.

Auch für viele Wissenschaftler ist die eigene akademische Karriere wichtiger als die sozialen und wissenschaftlichen Veränderungen. Vielen von ihnen ist es letztlich egal, ob sich Menschen mit Migrationshintergrund integrieren. Aber sie setzen diese Menschen gerne ein, um ihre akademischen Ziele zu erreichen. Zum Beispiel kann ein erfolgreicher Wissenschaftler eine neue Untersuchung über die Diskriminierung von Ausländern in Deutschland durchführen. Er kann auf dem wissenschaftlichen Markt als ein Anti-Diskriminierungsheld bekannt werden, aber zur gleichen Zeit kann es passieren, dass eben dieser wissenschaftliche und theoretische Held Menschen mit Migrationshintergrund selbst diskriminiert und kategorisiert. Natürlich steht alles vor dem Hintergrund. Denn ich frage mich: Wieso möchten viele ausländische Akademiker nach dem Studium Deutschland verlassen? Warum möchten viele ausländische Studenten nach dem Magister ihre akademische Karriere nicht fortsetzen? Wieso möchten viele ausländische Wissenschaftler nicht in Deutschland bleiben, wo sie geboren oder aufgewachsen sind?

Meiner Meinung nach wird der Integrationskampf im deutschen Weltteil nicht so einfach versanden. Für echte Integration müssen die Deutschen, besonders die Politiker und Wissenschaftler, den realen Kontakt zu Ausländern herstellen. Sonst brauchen wir – alle Menschen, die in Deutschland leben – die Wunderlampe von Aladin. Wenn der Dschin in der Lampe noch am Leben ist, hat die Gesellschaft in Deutschland noch eine Chance auf dem Integrationsweg. Ist der Dschin in der Lampe schon tot, kann man der Gesellschaft in Deutschland nur sagen: Aufrichtiges Beileid!

Kanat – 26. 05. 2012


[1] Aus Gründen der Vereinfachung wird im Text ausschließlich die männliche Form verwendet, es ist jedoch immer gleichermaßen die weibliche Form gemeint.
[2] Frau Merkel ist kein Politiker, sondern nur eine Politikerin.


Keine Kommentare: